Vom Weiler zum Vorort

Vom Weiler zum städtischen Vorort
1962 geschrieben von Alois Günthart, damals Gemeindepräsident von Adliswil, später Regierungsrat Kanton Zürich

Es ist eine ziemlich heikle Aufgabe, die ganze Entwicklung einer Gemeinde in kurzen Zügen darzustellen. Mit den vorstehenden Ausführungen können natürlich nicht alle Probleme und Geschehnisse erschöpfend behandelt werden, es ist vielmehr ein Versuch, der aufzeigen will, wie das Gebiet von Adliswil sich wandelte und besiedelte, und zwar von der prähistorischen Zeit bis heute. Der knappe geschichtliche Abriss erhebt nicht Anspruch auf Vollständigkeit, er gibt nur jene Marksteine und Ereignisse der Entwicklung wieder, die für eine Gesamtbetrachtung notwendig sind.

Unser Gebiet scheint schon sehr früh besiedelt gewesen zu sein. Im Jahre 1834 wurde «auf Hoferen» in einem Keltengrab ein durch Feuer beschädigtes Bronzeschwert und ein Beil gefunden, diese beiden Gegenstände erschienen abgebildet in den Mitteilungen der antiquarischen Gesellschaft Zürich. Grabhügel aus der Hallstattperiode (Eisenzeit) und aus der alemannischen Aera untersuchte man gegen Ende des letzten Jahrhunderts im sogenannten Steingasholz, dieser Wald lag zwischen der Lebern und dem Grüt, das untere Stück der heutigen Lättenstrasse hiess einst Steingasse. Ein wichtiger römischer Einzelfund in der Lebern soll zur Vollständigkeit hier ebenfalls noch erwähnt werden. Da sich unsere Väter scheinbar nur wenig um die Entwicklungsgeschichte unserer Gemeinde kümmerten, wird von all diesen Dingen in den Gemeinderatsprotokollen nichts ausgeführt. Nach den genannten Funden darf man sicher annehmen, dass sich schon zirka 700 Jahre v. Chr. Menschen in unserer Gegend aufhielten.

Der Name Adliswil ist alemannischen Ursprungs. Der alemannische Eindringling, der in unserem Sihltal seinen Hof errichtete, das mag im 4. oder 5. Jahrhundert gewesen sein, soll Adalolt oder Adelmund geheissen haben. Adololdswile und Adelmundiswilare sind, nach den Feststellungen der Forscher, beide urkundlich nachgewiesen, und zwar seit Mitte des 11. Jahrhunderts. Hundert Jahre später schrieb man Adloswile, woraus sich der nicht viel schlechter klingende heutige Name entwickelte.

Auf unserem Gemeindegebiet befand sich auch der Hof Rufers, urkundlich nachgewiesen im Jahre 952, dieser gehörte zum Chorherrenstift des Grossmünsters in Zürich. Rufers hatte eine ganz besondere Bedeutung, weil dort vom Vogt des Chorherrenstiftes jährlich zweimal Gericht gehalten wurde, in die Zuständigkeit dieses Hofes fiel die hohe und die niedere Gerichtsbarkeit. Hier wurde nicht nur gebüsst, hier fielen auch Entscheidungen über Leben und Tod, das Zeichen und die Zierde der hohen Gerichtsbarkeit bestand in einem Galgen. Zu Rufers gehörten: Rüschlikon, Teile von Oberleimbach, Wollishofen und sicher auch ein Teil von Adliswil. Weil das Fraumünsterstift in Adliswil ebenfalls grossen Besitz hatte, kann es nicht das ganze kleine Dorf gewesen sein. Im alten Zürichkrieg zerstörten die Eidgenossen Rufers und Adliswil, das war 1443/44. Dies geschah damals offenbar so gründlich, dass der Hof Rufers in der Folge nicht mehr aufgebaut wurde. Nach der Gemeindechronik von Binder soll das letzte Haus in Rufers spätestens 1549 von einem Günthart abgebrochen und nach Rüschlikon verschleppt worden sein, wo dieser es wieder aufstellte. Im Jahre 1524 übergab das Chorherrenstift die hohe und niedere Gerichtsbarkeit vom dafür zuständigen, aber nicht mehr bestehenden Rufers, der Obrigkeit, das geschah im Zuge der Reformation; nach der Zerstörung von Rufers verlegte man notgedrungen die Gerichtstage nach Rüschlikon. Die Obrigkeit unterstellte die Gebiete, die zu Rufers gehört hatten, mitsamt Adliswil und unseren Nachbargemeinden am See, der Vogtei Horgen. Wenn man dies feststellt, ist man versucht zu sagen: und so blieb es bis zum heutigen Tag. Nicht mehr der Vogt, aber doch der vom Volk gewählte Statthalter unserer hohen Regierung, hat seinen Amtssitz immer noch in Horgen und hat, in seiner Zuständigkeit für Polizeibussen, immer noch einen Teil der niedern Gerichtsbarkeit inne. Wo Rufers stand, weiss man heute nicht mehr genau, sicher aber im Gebiet von der Kilchbergstrasse über das Schwimmbad zum Kopfholz, der Name Ryfertstrasse ist die einzige Erinnerung an einen Hof, der unsern Vorfahren sicher viel bedeutet hat. Rufers steht übrigens mit dem Ortsnamen Rüschlikon in keinem direkten Zusamenhang, Rüschlikon wird urkundlich als Ruoslinchoven bezeichnet.

Man kennt aber heute auch den Standort eines für die damalige Zeit ebenfalls bedeutenden Gebäudes nicht mehr, nämlich den des Klösterchens oder Schwesternhauses Mariaberg. Es stand am Albishang, wahrscheinlich in der Nähe der Buchenegg, im Gebiet, das heute den Flurnamen Holenstein trägt. Der Zehntenplan von Adliswil aus dem Jahre 1787 bezeichnet in jener Gegend ein Grundstück mit dem Namen Friedhof, dieser Ausdruck soll, gemäss der mündlichen Überlieferung, direkten Bezug auf das Klösterchen nehmen. Graf Rudolf I. von Rapperswil übergab den Frauen von Mariaberg im Jahre 1259 das Schloss und einige Güter in Wurmsbach, die Schwestern traten zum Zisterzienser­orden über, verliessen die sicherlich billige Behausung auf der Buchenegg und installierten sich im offerierten Schlosse. Das verlassene Mariaberg zerfiel und ist verschwunden; seine letzte Vorsteherin, Adelheid von Wesperspül, wurde die erste Aebtissin in Wurmsbach.

Trotz dem Leid, das die Zerstörung Adliswils im alten Zürichkrieg für unsere Vorfahren brachte, ging durch die Brandschatzung kein wertvolles Kulturgut zugrunde. In Adliswil, der kleinen, armen Bauerngemeinde ohne Herrschaftshäuser, wurde nichts zerstört, was nicht wieder gleichwertig aufgebaut werden konnte. Die Bevölkerung lebte kärglich und bescheiden von den Erträgnissen des Bodens. Die Gemeinde hatte damals keine grosse Bedeutung, zählte sie doch im Jahre 1401 nur etwa 100 Einwohner, die in 12 Haushaltungen lebten.

16. Jahrhundert
Bis ungefähr zum Jahre 1600 änderte sich am äusseren Gesicht unserer Gemeinde nicht viel. Die Reformation war ohne grosse innere Stürme an Adliswil vorbeigegangen, einzig die Schlacht bei Kappel war für unsere Vorfahren eine schwere Prüfung, denn von den Kriegern der Pfarrei Kilchberg, die mit nach Kappel zogen, kehrten 31 nicht mehr zurück, von Adliswil waren es Angehörige der Geschlechter Kunz, Güntert, Landolt, Schwarzenbach und Wyß. Zur Pfarrei Kilchberg gehörten damals, ungefähr seit dem Jahre 1000, Adliswil, Bendlikon, Rüschlikon und Wollis­hofen. Adliswil blieb übrigens am längsten zur Pfarrei Kilchberg kirchgenössig, die Loslösung erfolgte erst im Jahre 1896 unter dem Titel: Trennung der Kirchgemeinden. Der grösste Plaggeist der Bevölkerung war in diesem Jahrhundert ganz offensichtlich die Pest. Im Jahre 1565 zählte die ganze Pfarrei Kilchberg ungefähr 950 Einwohner, von denen in jener Zeit in einem einzigen Jahr 400 starben.

17. Jahrhundert
In diesem Jahrhundert veränderte sich das äussere Bild Adliswils ziemlich stark. Zu Beginn dieses Zeitabschnitts zählte die Gemeinde etwa 300, im Jahre 1684 aber schon 534 Einwohner. Diese Zunahme hat ihren Ursprung in der Ausdehnung des landwirtschaftlich genutzten Bodens durch grössere Rodungen. Die meisten Höfe am Abhang der Albiskette, und auch noch einige andere, entstanden in diesem Jahrhundert, nämlich Styg, Wannete, Bernhof, Vögeli, Aetzern, Hotwiel, Weier, Schattli, Junker, Landolt, aber auch Asphof, Lebern, Sood und später noch Obstgarten. Früher haben wahrscheinlich bestanden: Löchli, Rossweg und Hermen, möglicherweise schon im Zusammenhang mit dem Klösterchen Mariaberg. Die starke Zunahme der landwirtschaftlichen Besiedelung rief natürlich auch nach Handwerkern, was das Anwachsen der Bevölkerungszahl leicht erklärt. Neben der Selbstversorgung hatten die Bauern nur eine wichtige Einnahmequelle; das war der Weinbau. Das zehntenpflichtige Rebland mass im Jahre 1691 in Adliswil volle 42 Jucharten. Alle Berghöfe pflanzten in den heissen, nach Süden gerichteten Mulden ihre Reben; das Gebiet von Rellsten, Sonnenberg und Hofern war ein geschlossener Rebberg. Das geht auch noch aus dem schon erwähnten Zehntenplan hervor. In qualitativer Hinsicht wurde unser «Adliswiler» allerdings nur durch seine Säure berühmt, sicher war er nie bekömmlicher als der «Bendliker» aus der herrlichen Uferlage Kilchbergs, von dem ein Chronist erzählt, dass seine schlechtesten Jahrgänge die Hahnen und Röhren durchfressen hätten und man ihm deshalb den Namen «Gott bhüetis» gab. Gerold Meyer von Knonau erwähnt ein damals bekanntes und sehr geläufiges lateinisches Sprichwort mit dem Wortlaut:
Vinum Bendliconense
Acrius est ense,
Angit et urit
Immo occidit!

Sinngemäss übersetzt heisst das: «Der Bendliker Wein ist scharf wie ein Schwert, er würgt und brennt, ja er bringt sogar um». Beim Lesen solcher Qualitätsmerkmale dürfen wir uns glücklich schätzen, dass der «Adliswiler» nicht auch in die Literatur einging. Unseren Vorfahren, die scheinbar beim Abliefern des Weinzehntens die Schlaumeier spielten, wurde, zur Zeit der Entstehung des Zehntenplanes, von der Kanzel herab unter anderem verlesen: (ausführlich in der Gemeindechronik) «Die Eigentümer dürfen, wenn sie ihre neun Teile gesammelt, den Zehnten nicht an einem schlechteren Ort oder den Hängen nach nehmen, sondern ehrenhaft. Es ist verboten, den Zehnten aus Zubern zu entrichten, in denen Trauben gestossen und die beste Brühe vorweggenommen worden, da dann wenig mehr als die Kamben übrig bleiben».

18. Jahrhundert
Entwicklungsmässig hat dieser Zeitabschnitt keine grössere Bedeutung als der vorangegangene. Über die damaligen Gefahren einer Fussreise von Gersau nach Zürich erzählt ein Dankesbrief des Landammanns von Gersau, der im Gemeindearchiv aufbewahrt wird. Damals soll ein Matthias Nigg, Bürger von Gersau, geschäftlich nach Zürich marschiert sein und, gemäss dem Brief hat er «sein Reiss fortgesetzt bis uf dass Wollishofer Moss gethan, aber leider, Gott erbarm ess, aldortens zwey unbarmhertziges und Gott vergessnes Buobs, ja, um Mathias zu mörderen in angriffent und uf Erbärmliches er schier zu tot geschlagen worden…», worauf ihn Bewohner unserer Gemeinde fanden und mit viel Mühe gesund pflegten. Der Brief schliesst: «der aller grundt gnättigenste Gott, der belohner alles guottes, wird solches dussent feltig belohnen… den 28 Tag, Christmonat 1704, Landtamman und Raths zu Gersaus».

Gegen das Ende dieses Jahrhunderts, das als Zeitabschnitt des Umsturzes oder der französischen Revolution bezeichnet wird, wuchs unser Dorf auf ungefähr 900 Personen an, das war, bezogen auf die flächenmässige Ausdehnung des Gebietes, immer noch sehr wenig. Binder schreibt in der Gemeindechronik: «1772 ist das Sihltal das am schwächsten bevölkerte Gebiet des Kantons Zürich, Dichte auf den Quadratkilometer 68,9 Personen. Am Ende des Jahrhunderts, nämlich 1799, wurde Adliswil im zweiten Koalitionskrieg nochmals Kriegsschauplatz, als sich die Franzosen und Russen bekämpften. Auf der linken Talseite standen die Franzosen, die sich die Befreier nannten, und auf der rechten die Russen. Man plünderte damals Adliswil richtig aus mit sogenannten Requisitionen, während kriegerischer Handlungen flüchtete die Be­völkerung mit ihrer notwendigsten Habe jeweilen an den Albisabhang hinauf. Französische Offiziere konsumierten in der Taverne zum «Adler» einfach auf Kosten der Gemeinde, davon zeugt jetzt noch eine Rechnung der Adlerwirtin im Gemeindearchiv. Auf der linken Talseite prangte der Freiheitsbaum und unter dem direkten Einfluss der Franzosen soll man gesungen haben: «Jauchzet Brüder, jauchzet Schwestern, singt im höchsten Freudentone, Geld und Gut das bringt uns wieder unsr’re grosse Nation!» Auf der rechten Talseite, unter russischem Einfluss, hiess der Text: «Klaget Brüder, klaget Schwestern, klagt im tiefsten Trauertone, Geld und Gut hat uns gestohlen diese Schelmennation». Dieser zweite Spruch soll überzeugender geklungen haben, denn die Franzosen waren in Adliswil verhasst, weil man unter ihnen mehr litt als unter den Russen, beliebt war aber keine der beiden Parteien. Die einen kamen als Befreier und die andern zum Schutze, und unsere Vorfahren bezahlten dafür. Das Dorf litt deshalb stark, weil es sich beidseits der Brücke gruppierte, um die immer wieder gekämpft wurde, diese führte in jener Zeit genau bei der Metzgerei Grunder über die Sihl. Wie gross der Hass gegen die «Befreier» war, zeigt vielleicht noch folgende, mündlich überlieferte Episode: Als ein durchreitender französischer Offizier in der Nähe der Brücke an ein Haus klopfte und einen Krug Wein verlangte, den ihm kurz darauf eine Frau überreichte, krachte auf der andern Sihlseite eine Flinte und der Franzose fiel tot vom Pferd. Natürlich warf man darauf dem Schützen vor, er hätte ebenso gut die Frau treffen können, doch dieser, ein Welti, soll nur gelacht und behauptet haben, mit seiner Bleispritze verfehle er keinen Franzosen über die Sihl hinweg. Nach dem Abzug der Truppen waren die Einwohner Adliswils buchstäblich mittellos. In der Chronik steht darüber wörtlich: «Für das in unsagbares Elend geratene Dorf, brachte J. C. Lavater in Zürich eine ansehnliche Armenspende zusammen.»

19. Jahrhundert
Das 19. Jahrhundert ist für unsere Gemeinde das Jahrhundert der eigentlichen Entwicklung. Es wird fälschlicherweise immer wieder angenommen, es sei die Wasserkraft der Sihl, die Industrien angezogen und so primär am Aufschwung des ganzen Sihltales schuld sei. Zuerst musste das Sihltal erschlossen werden, bevor die Wasserkraft wirklich ausgenutzt werden konnte. Betrachtet man nämlich die Verkehrswege, die nach Adliswil führten bis zum Zeitpunkt der beginnenden Entwicklung, dann muss man sogleich feststellen, dass diese absolut ungenügend für grosse Transporte mit Pferdezug waren. Die Sihltalstrasse, von Sood nach Leimbach und Zürich, bestand nicht, an ihrer heutigen Stelle befand sich nur ein schwer befahrbarer Flurweg, der vom Hochwasser der Sihl jedesmal überschwemmt und schon bei Regenwetter unpassierbar wurde. Zwischen Oberleimbach und Mittelleimbach gab es als Verbindung ebenfalls nur Flurwege für die landwirtschaftliche Bewirtschaftung. Der einzige Weg nach der Stadt war die «Landstrass auf Zürich», die ungefähr vom Lagerplatz der Firma Tschümperlin, steil über den Hang hinauf zur heutigen Lättenstrasse führte und von dort fast genau dem jetzt noch bestehenden Strassentrasse folgte. Am Grüt vorbei, über das Wollishofer Moos, gab es nur einen Fussweg. Das untere Teilstück der steilen Strasse zum Lätten hinauf nannte man Steingasse, wenn man sich diesen meist ausgeschwemmten Stras­senzug vorstellt, hört man beinahe die Pferdekarren über die Strasse rasseln. Es ist leicht erklärlich dass eine solche Zufahrt für die schwer beladenen Pferdefuhrwerke der Industrie nicht besonders einladend war.

Von 1835 bis 1844 baute deshalb der Kanton Zürich die Albisstrasse von Wollishofen über den Albis nach Riedmatt und von dort nach Kappel bis zur Zugergrenze und nach Mettmenstetten. Die Strecke mass ca. 25 km und kostete den Betrag von Fr. 185’ 924,14, was auf den Meter dieser bedeutenden Strassenbaute ca. Fr. 7.40 ausmacht. In diesem Preis ist der Landerwerb die ganze mühselige und 11 Jahre dauernde Handarbeit inbegriffen, wobei noch zu betonen ist, dass die bestehende Albisstrasse jetzt noch dem gleichen Trasse folgt. Für uns gehören solche Preise ins Märchenland, damals aber liessen sie aufhorchen, kleinmütige Vorfahren wackelten mit dem Mahnfinger, indem sie vor so unnötigen Strassenbauten warnten. Meyer von Knonau schreibt darüber: «Vielfach hörte man die Frage aufwerfen, ob denn diese Strassen ein so schreiendes Bedürfnis seien und ob sich nicht der Kanton Zürich an denselben ökonomisch verbluten könnte».

Um 1840 war die Albisstrasse bis zur Riedmatt erstellt und schon zwei Jahre später bekam der Gemeinderat Beschäftigung infolge eines Verkehrs­unfalles beim Dorfeingang. Am 1. August 1842 verunfallte ein Pferd einer vierspännigen Lohnkutscher von Luzern, weil es die Deckplatte eines quer unter der Strasse hindurchgeführten Grabens zertrat. Der Kutscher stellte eine Forderung, und der Gemeinderat lehnte diese ab man schrieb heftig hin und her und behandelte dieses Thema an jeder Sitzung, bis am 16. Nov. 1842 im Protokoll steht: «Der Gemeinderat wird auf Montag, 21. ds. vom Lohnkutscher von Luzern vor Gericht citiert, es wird zu diesem Geschäft der Präsident und der Schreiber beordert.» Den guten Gemeindevätern scheint es nicht mehr ganz wohl gewesen zu sein, und sie sahen sich nach der ersten Gerichtsverhandlung nach Hilfe um. Sie schrieben deshalb am 9. Januar 1843: «An das hochwohllöbliche Strassendepartement Zürich. Es ist Ihnen bereits bekannt, dass im August v. J. in hiesiger Gemeinde unweit der Fabrik ein wichtiger Fall begegnete. Es wurde nämlich auf genannter Stelle durch Lohnkutscher Schweizer von Luzern, dessen Sattelpferd eine Platte über einer quer zur Landstrasse führende Dolle zertretten und wurde dem fraglichen Pferd der Fuss geschädigt, so dass demzufolgen ein Entschädigungsgesuch von frk. 280 an den hiesigen Gemeinderat gestellt wird. Der Gemeinderat bat oberwähntes Entschädigungsgesuch – da ihm in dieser Beziehung nicht das mindeste zur Last fallen kann – förmlich widersprochen und alle möglichen Beweise zu seiner Legitimation dem Bez. Gericht Horgen, dem dieser Prozess bereits anhängig gemacht ist, vorgetragen, findet sich aber dennoch ver­anlasst, auch Ihnen Tit. Herren Kenntnis zu geben nun auch für Sie das nötige gegen diese Anschuldigung zu thun. Indem wir Ihnen Tit. unsere diesfäll. Bitte zur Genehmigung empfehlen und Sie ersuchen über letzteren Punkt gefäll Antwort zu erteilen, versehen wir Sie unserer vollkommensten Hochachtung und Ergebenheit». Vor Gericht wurden in diesem Prozess nicht weniger als 16 Zeugen einvernommen «betreffend fehlerhafter Amtsführung» des Gemeinderates, denn der Lohnkutscher machte dem Gemeinderat den Vorwurf, er hätte den Strassenunterhalt vernachlässigt. Das Gericht wies die Klage des Kutschers nach einigen Monaten ab und sprach dem Gemeinderat eine Entschädigung von Fr. 16.– für seine Umtriebe zu.

Die Bucheneggstrasse, die 1861 fertig erstellt war, gab in der Gemeinde ungeheuer viel zu reden, denn die Gemeinde Adliswil wurde vom Staat verpflichtet, diese Strasse dritter Klasse vom Waldi bis auf die Buchenegg selbst auszuführen. Der Gemeinderat Adliswil sträubte sich aus begreiflichen Gründen dagegen, in den Protokollen steht, das ganze sei ein Rückenschuss der Stallikoner, die die Absicht hätten, auf Kosten Adliswils zu einer guten Strasse zu kommen. Adliswil hintertrieb den Baubeginn so lange, bis der Bezirksgericht Horgen eine letzte Frist unter Androhung einer Ordnungsbusse ansetzte. Das genügte aber nicht, um den Gemeinderat weich zu machen er gehorchte erst mühsam, als die Regierung diese Androhung bestätigte und begann im Winter 1859 mit dem Bau. Die Baukosten betrugen Fr. 23’326,63, was auf den Laufmeter einen Betrag von Fr. 7,33 ergibt. Der vom Staat mit unglaublicher Exaktheit ausgearbeitete Kostenvoranschlag, der Baukosten von Fr. 15’700.– vorgesehen hatte wurde trotz seiner heute noch bestechenden Ausführung gewaltig überschritten. Der Staatsbeitrag, den der Kanton der Gemeinde ausrichtete, betrug 5400.– Franken. Wegen der Landabtretungen musste ein Expropriationsprozess vor Bezirksgericht Horgen geführt werden, die Landentschädigung wurde damals, auf den m2 umgerechnet, auf Fr. 0,33 für abzutretendes Wiesland festgesetzt. Mehrwertsbeiträge der Anstösser für solche Strassenbauten kannte man nicht, dafür mussten aber alle Bürger und Niedergelassenen, die Grundeigentum in der Gemeinde besassen, eine Sondersteuer entrichten die sogenannte Strassensteuer, welche manchmal jahrelang neben den normalen Steuern bezogen wurde, bis die Strassenbauten abbezahlt waren.

Als letzten Strassenbau vollendete man die Sihltalstrasse vom Sood Richtung Leimbach, ihre Ausführung fiel mit dem Bau der Sihltalbahn zusammen, die letztere wurde 1892 eingeweiht und zuerst nur bis Sihlwald dem Betrieb übergeben. Mit dem Bau der Bahn war unser Sihltal nun vollständig erschlossen.

Wenn man von der Verkehrserschliessung eines Siedelungsgebietes spricht, ist heute die Post einfach inbegriffen, das war früher nicht ohne weiteres selbstverständlich. In Adliswil hielt die regelmässig verkehrende Postkutsche erst nach dem Bau der Albisstrasse ihren Einzug. Neben der Post führte aber auch noch ein Bote mit Pferd und Wagen täglich Waren von Zürich nach Adliswil und umgekehrt, das ist heute ein ausgestorbener und vergessener Beruf, der letzte Bote in Adliswil war der im ganzen Dorf wohlbekannte «Bot-Glättli. Die Postkutsche im Sihltal rollte täglich zweimal in jeder Richtung von Zürich nach Langnau, sie fuhr zwei-, bei schlechtem Wetter sogar gelegentlich dreispännig. Es war eine vornehme Kutsche, sie wies sechs Sitzplätze erster und drei Sitzplätze zweiter Klasse auf, wenn der Postillion zum Blasen nicht zu bequem war, dann wussten alle Eingeweihten, dass er schon ein Trinkgeld im Sacke hatte oder ganz sicher eines in Aussicht stand. Das erste Postlokal lag hinter dem Kino Albis, das zweite direkt hinter der «alten Post», dann kam die «alte Post» selbst an die Reihe und nachher der gegenüberliegende Laden von Herrn Kirschbaum, zum fünften Mal zügelte man in das Gebäude, in dem sich jetzt das Schuhgeschäft Bottazoli befindet und, um das halbe Dutzend voll zu machen, in das bestehende neue Gebäude, das in seiner Grösse und Anlage bestimmt nochmals einem Umzug ruft. Im Gemeinderatsprotokoll der Sitzung vom 3. November 1879 steht: «Es wird beschlossen: gegründet auf grosse Vermehrung der hiesigen Einwohner besonders durch das Fabrikgewerbe ein Petion an die Kreispostdirektion zu erlassen dass fürs hiesige Postbüro ein besonderer Briefträger bestellt werde». Das Gesuch des Gemeinderats wurde damals, kaum wegen des verunglückten Fremdworts, umgehend abgewiesen, und der Posthalter besorgte weiterhin seine Post ganz allein indem er noch selber Briefträger spielte. Dabei muss man sich vorstellen, dass die Gemeinde in jenem Zeitpunkt ungefähr 2000 Einwohner zählte.

Etwas, das im Sihltal immer wieder viele Kosten und Sorgen bereitete darf man nicht vergessen, nämlich die Sihl. Sie blieb bis ins Jahr 1910, bis sie genügend ausgebaut war der unberechenbare Plaggeist der Gemeinde. Bei Hochwasser kam sie immer wieder statt allein durch das Sihlbett, eben auch noch die Dorfstrasse hinunter und füllte die Keller der anliegenden Gebäude mit ihrem braunen Wasser. Diese meist sehr grossen Keller mit vielen Fässern Adliswil war ja eine Gemeinde mit Weinbau wiesen deshalb eine Eigentümlichkeit auf die besonders erwähnenswert ist. Die Fässer in den Kellern waren nämlich alle an ihre Lager angeklammert damit sie sich, sofern sie nicht mehr «spunten voll» waren, bei Hochwasser nicht selbständig machen konnten und im Keller herumschwammen. Wenn die Sihl die Strasse hinunterkam mussten die Spundlöcher der Fässer sofort tadellos verzapft werden denn das trübe Sihlwasser hätte selbst der «Adliswiler» nicht ertragen. Nach dem der Sihl konnte sich dann anschliessend die Feuerwehr beim Auspumpen der Keller vergnügen und mit sinkendem Wasserspiegel stieg dann meist der Alkohol- und Säuregehalt der pumpenden Männer. Am Salzhaus, das einst direkt neben der «alten Post» in Richtung Langnau stand, man brach es vor etwa 25 Jahren ab wurde vor 230 Jahren folgender Spruch auf die Mauer gemalt:

Was Gott der Herr getan in frühern und in spätern Jahren,
Das wollen wir der Nachwelt aufbewahren,
Der Sihlfluss stieg zur Höhe in den Jahren:

Darunter folgten Striche, die die Höhe der Hochwasser von 1732 bis 1882 festhielten. Auch der Eisgang der Sihl, «d’Isscharrete» brachte immer wieder schwere Verwüstungen, es kam vor, dass selbst die Strasse mit Eisschollen überdeckt wurde. Meyer von Knonau schildert einen dieser vielen Eisgänge folgendermassen: «Sehr bedrohend für das Dorf Adlisweil war der Eisstoss vom 9. Februar 1830. Nur nach ausserordentlicher Anstrengung und durch scharfe Schüsse gelang es, dem Wasser Bahn zu machen. Den Schaden, den dieser Fluss anrichtet, vergütet er dadurch, dass er Wasserwerke in Bewegung setzt und zum Flössen benutzt wird.» Tatsächlich wurde das städtische Holz aus dem Sihlwald nach Zürich geflösst, wenigstens bis die Wuhre der Industrien dies verunmöglichten. Im Selnau, wo das Holz aus der Sihl gefischt wurde, erinnert die Flössergasse immer noch an die alte Aufgabe unseres früher so kraftvollen Flusses dem der Sihlsee sein aufrührerisches Genick brach. Drei Brücken riss die Sihl in Adliswil weg, die erste wird allerdings nur als Steg bezeichnet. Meistens dauerte es ziemlich lange bis diese wieder erstellt waren einmal sogar volle sechs Jahre. Die «alte Brücke» führte bei der Metzgerei Grunder über die Sihl, das alte Dorfzentrum bestand in den beiden Brückenköpfen. 1852 wurde die zweite gedeckte Brücke, nach langem Kampf mit der Baudirektion, sihlabwärts am Standort der jetzigen Brücke erstellt, die letztere stammt aus dem Jahre 1926.

Die Industrialisierung begann im Jahre 1831 mit der Spinnerei im Dorf, die sich seit 1837 gebäudemässig nicht mehr stark veränderte (ohne Anbau vor einigen Jahren). 1842 folgte die Spinnerei im Sood und 1862 die Mechanische Seidenstoffweberei in der Rüti, die sich bald zu einem der grössten Betriebe der ganzen Schweiz entwickelte.

Im Jahre 1900 war die Umwandlung vom bäuerlichen Weiler zur Industriegemeinde vollzogen, aber noch nicht vollständig abgeschlossen. In 70 Jahren, von 1830 bis 1900, stieg die Einwohnerzahl unseres Dorfes von zirka 900 auf volle 4800, diese steile Entwicklung zum Industriedorf warf alle Prognosen über den Haufen, es war aber noch nicht die Umwandlung zum städtischen Vorort, denn die Arbeitnehmer gingen nicht von Adliswil nach Zürich, sondern im Dorfe selbst der Arbeit nach, die Slhltalbahn eröffnete ihren Betrieb ja erst im Jahre 1892 und am Anfang mit einem ziemlich dünnen Fahrplan.

Die Landwirt schaft, die die schweren Zeiten der vergangenen Jahrhunderte überdauert hatte und immer der Träger der Gemeinde gewesen war, büsste ihre Stellung vollständig ein. Auf der Talsohle machten viele Bauernhöfe der neuen Entwicklung Platz und verschwanden, der beste landwirtschaftliche Boden wurde ohne jede innere Beziehung mit gleichförmigen und preis­werten Häusern überstellt. Die Bauernsöhne opferten vielfach ihre Eigenständigkeit dem leichteren Verdienst, wurden Fabrikarbeiter oder zogen fort. Die Landwirtschaft, die in der Mitte des 19. Jahrhunderts sehr schwer zu kämpfen hatte, bot trotz harter Arbeit einen so kärglichen Verdienst, dass die Abkehr von Grund und Boden oft zu begreifen war. Der moderne Verkehr brachte billiges ausländisches Getreide und ebensolchen Wein in die Schweiz und untergrub den Bauern ihre bisherige Existenzgrundlage. Dieser Entwicklung fielen die drei grössten Höfe auf der Buchenegg zum Opfer, nämlich Bliggli, Stüpfer und Schattli, alle drei wurden vom Staat für wenig Geld übernommen und aufgeforstet. Einige vermooste Mauerüberreste und die Einfahrt der einstigen Schattlischeune, sieht man heute noch an der Bucheneggstrasse, kurz bevor sie die Höhe der Albiskette erreicht.

Besonders erwähnenswert ist an dieser Stelle, dass die Zehntenpflicht unserer Bauern bis in das Jahr 1812 bestand, damals wurde der nasse und der trockene Zehnten gekündet, der nasse, das war der Wein, der trockene bestand in Getreide und Bohnen. Der Weinzehnten betrug 83 Eimer, 1 Viertel und 1 Kopf, umgerechnet ergibt das die erstaunliche Menge von zirka 9150 Litern, abgelöst wurde dieser Zehnten mit einem Geldbetrag von 14’213,33 Fr. Der trockene Zehnten bestand aus «Kernen, Haber, Roggen, Gersten und Bohnen», zusammengezählt musste davon abgeliefert werden: 53 Mütt, 2 Viertel und 5 Mässli, was nach dem heutigen Gewichtssystem zirka 31 Zentner und 30 Kilogramm ausmacht. Die Auskaufssumme dieses Zehntens belief sich auf 9’868,61 Fr. Es dauerte sechs Jahre bis die Bauern diese Beträge dem Stande Zürich abbezahlt hatten, 1818 wurde der Loskauf beurkundet, die sehr schön gesiegelten und gut erhaltenen Schriftstücke liegen in unserem Gemeindearchiv. Diese Urkunden beenden ein Abgabesystem, das schon seit dem Anfang der Gemeinde bestand, es ist eine rein sachliche Erledigung, die ihren Ursprung im Ideengut der französischen Revolution findet. Die Bedeutung der Schriftstücke ist so gross, dass man sicher eines davon teilweise selber sprechen lassen darf: «Wir, Präsident und Finanz-Commission des Eidgenössischen Standes Zürich urkunden hiermit: Dass, nachdem die Zehentpflichtigen der Gemeinden Adlischweil und Ober-Leimbach nach Anleitung der bestehenden Zehent Loskaufs-Gesetze, ihren Weinzehenten aufgekündet, Wir diese Aufkündung angenommen und den Zehentpflichtigen die diesfällige Durchschnitts-Ertrags und Loskaufs-Capital-Berechnung zugestellt haben… alles innert diesem Zehentbezirk liegende Land der Zehentpflichtigkeit des Gänzlichen befreyt und entlediget ist, also und dergestalt, dass die mehr gedachten Zehentpflichtigen dasselbe auf die ihnen jederzeit beliebige Art zu benutzen und damit nach ihrem Gutfinden zu schalten und zu walten Fug und Macht haben sollen…

Im Zuge der Zürcher Stadtvereinigung von 1893 wurde Oberleimbach der Gemeinde Adliswil zugeteilt. Durch das sogenante Zuteilungsgesetz vereinigte man damals elf Gemeinden mit der Stadt, darunter war auch Wollishofen, zu dem Oberleimbach politisch gehört hatte. Adliswil verlangte von Zürich für die Übernahme Oberleimbachs als Auskaufssumme 25’000 Franken in erster Linie wegen der schlechten Strassen und dem vernachlässigten Feuerlöschwesen, die Stadt offerierte aber nur 147,95 Fr. Im Streit, der um diese Beträge entbrannte, schraubte dann der Gemeinderat von Adliswil seine Forderung bis fast auf 70’000 Fr. hinauf, wahrscheinlich in der Hoffnung, einen richtigen Kuhhandel abschliessen zu können. Die Regierung bestimmte den Bezirksrat Affoltern zum Schiedsrichter, der dann eine Auskaufssumme von 6793,25 Franken errechnete, der Rekurs der Stadt gegen den bezirksrätlieben Entscheid wurde abgewiesen und sie musste diesen Betrag bezahlen.

Am 1. Januar 1896 trennten sich die Kirchgemeinden Adliswil und Kilchberg, nachdem beide Dörfer ungefähr seit dem Jahre 1000 zum selben Gotteshaus gehört hatten. Mit dem Bau der protestantischen Kirche wurde sofort begonnen und diese dann im Jahr 1898 eingeweiht. Das katholische Pfarrhaus, dessen Versammlungsraum zuerst als Gottesdienstlokal Verwendung fand, war schon vorher, nämlich im Jahre 1896 erstellt worden, der Kirchenbau folgte aber erst Im Jahre 1904.

20. Jahrhundert
Im Jahre 1910 kam die Entwicklung, hervorgerufen durch die Erschliessung unseres Tales und die nachfolgende Ansiedelung von Industrie, zum Stillstand. In diesem Jahr erreichte die Gemeinde 5000 Einwohner, genau waren es 5012. Die folgenden Jahrzehnte brachten in der Bevölkerungsbewegung neben geringem weiterem Zuwachs auch wieder Rückschläge. Im Umwandlungsprozess, verteilt auf einen Zeitraum von ungefähr 70 Jahren, stieg die Einwohnerzahl um zirka 500 Prozent, von der alten Bauerngemeinde sah man äusserlich nichts mehr. Auch innerlich vollzog sich eine gewaltige Umwandlung, der Industrielle, der Gewerbetreibende, der Angestellte und der Arbeiter, sie alle rannten nur noch der Rendite und dem materiellen Gewinne nach, so entstand ein Industriedorf ohne äusseren und inneren Charakter. Die typischen Eigenschaften der Landbevölkerung, die Erdgebundenheit und Einfachheit, die mit Generationen und nicht mit dem augenblicklichen Arbeitslohn rechnende Lebensauffassung, wurden der Umschichtung geopfert. Viele glaubten, das goldene Zeitalter sei angebrochen, bis, bedingt durch äussere wirtschaftliche Einflüsse, die Seidenindustrie in den Dreissigerjahren zusammenbrach und die Gemeinde dadurch selbst in die schwerste Notlage geriet, bis das goldene Zeitalter sich plötzlich in das kupferne wandelte. Damit kam die Industrialisierung der Gemeinde zum Stillstand, sie wurde sogar stark rückläufig, wer von den Arbeitslosen auswärts Beschäftigung fand zog weg, und für viele Hausbesitzer mit leeren Mietwohnungen begann damit eine dornenvolle Zeit. Die Sorge um die zukünftige Entwicklung des Gemeinwesens formte, aus der während einem halben Jahrhundert ganz einseitig gelenkten und unprofilierten Industriebevölkerung, eine Dorfgemeinschaft. Die harte Hand der Not schloss gleichgesinnte Gruppen zusammen und liess politische Gegensätze gelegentlich ziemlich hart aufeinander prallen. Oft wurde als Rezept zur Lageverbesserung die Eingemeindung zum grossen Nachbarn vorgeschlagen, diese Empfehlung zur Selbstaufgabe entsprang rein materiellen Überlegungen, die zur geschichtlichen Entwicklung unserer Gemeinde in krassem Gegensatz standen, die Diskussion war allerdings begreiflich, denn die Eingemeindungsfrage warf damals auf kantonaler Ebene grosse Wellen. Das Problem wurde im Jahre 1931 mit der zweiten Eingemeindung und dem Finanzausgleichsgesetz, beide bilden eine Einheit, gelöst. Der Gemeinderat selbst ist nie für eine Eingemeindung eingetreten, obschon Adliswil unter den armen Orten an der Spitze stand.

Ein weiteres Schlagwort dieser Jahre lautete: Zurück zur Wohngemeinde. Der Rat schien gut, nur blieb das Wohnen in bezug auf den Steuerfuss leider teuer und viele fanden die auf ein Industriedorf zugeschnittene Überbauung nicht besonders einladend. Es war aber immerhin ein Ziel und diesem kam der wirtschaftliche Aufschwung des Kantons nach dem zweiten Weltkrieg entgegen. Damit begann in Adliswil ein neuer Abschnitt: Die Umschichtung zur Vororts­gemeinde, für die die Trennung von Arbeits- und Wohnort charakteristisch ist. Der bevölkerungsmässig steile Anstieg in den letzten zwanzig Jahren bis zur statistischen Stadt ist trotz allem nicht von so umwälzender Bedeutung Wie die einstige Entwicklung zur Industriegemeinde. Sicher waren die öffentlichen Aufgaben und Probleme in den letzten Jahren sehr gross, vielleicht steigen sie sogar noch an. trotzdem wird man sie aber lösen können. Das ganze ist eine Planungsaufgabe und planen heisst mit andern Worten: Vorausschauen und handeln. Die Entwicklung eines Gemeinwesens kann man mit behördlichen Massnahmen nicht aufhalten, sondern nur steuern, es liegt in der Natur der Sache, dass man sich selber aufgibt, sobald man sich gegen einen gesunden Fortschritt stemmt. Wir alle genügen unserer Verantwortung gegenüber dem Gemeinwesen nur dann, wenn wir das Ziel unserer Aufgabe immer so weit stecken, dass ihm nie der Charakter einer Notlösung anhaftet. Sicher wird es wieder Rückschläge geben, auch diesmal gehen wir nur scheinbar dem goldenen Zeltalter entgegen, wenn wir den Mut haben dies einzusehen, dann ist es unsere Pflicht, heute die Probleme so zu erledigen, dass durch unser Handeln nicht ein Nachholbedarf in schlechteren Tagen entsteht. Das Pflichtenheft zur Erfüllung unseres Auftrages, haben wir nicht im Kessel der politischen Spreu und Schlagworte zu suchen. sondern nur in der Vergangenheit und Zukunft unserer Gemeinde.

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